Einheit gewinnt Pokalkrimi
Die Handballer des HC Einheit Plauen sind nach dem 27:26-Sieg gegen den NHV Concordia Delitzsch II ins Viertelfinale des Sachsenpokals eingezogen. Wieso der verlustpunktfreie Spitzenreiter der Sachsenliga beim Tabellenzweiten der Verbandsliga erst nach der 60. Minute jubeln konnte.
Auf der Anzeigetafel leuchtet die 60. Minute, die reguläre Spielzeit ist bereits abgelaufen, doch das Achtelfinale im Sachsenpokal zwischen dem HC Einheit Plauen und dem NHV Concordia Delitzsch II ist noch nicht beendet. Denn die Füchse bekommen noch einen Freiwurf. Er muss direkt ausgeführt werden. Auf halb rechter Position. Beim Stande von 26:26. Unentschieden. Petr Linhart hat den Ball. Trifft der Tscheche, der schon in der französischen ersten Liga und in der zweiten deutschen Bundesliga auf Torejagd gegangen ist, stehen die Rot-Weißen im Viertelfinale. Die Nordsachsen stellen eine Mauer, strecken die Arme nach oben und der Torhüter stellt sich in die kurze Ecke. Bevor der Schiedsrichter anpfeift, weiß der 32-Jährige, wie er die Spitzenstädter eine Runde weiter werfen will. Der Linkshänder sieht eine Lücke im gegnerischen Block. Ein Delitzscher, noch dazu der kleinste Spieler, der auch noch an dritter Stelle steht, hält seine Arme über den Kopf nicht zusammen. Der Pfiff ertönt. Lino wirft. Tor. Der Ball wird noch abgefälscht und landet so unhaltbar unten in der kurzen Torwartecke. Es war der 27:26-Siegtreffer. Es war ein Tor des Willens, des Könnens und des Vertrauens. Des Willens, weil sich die Vogtländer nach einem 7:13-Rückstand in der 26. Minute bei einem auf gutem Sachsenliga-Niveau spielenden Verbandsliga-Zweiten noch zurück gekämpft hatten. Des Könnens, weil Linhart die Möglichkeit in größter Drucksituation erkennt, sich den Wurf über den Kopf des Gegners zutraut und dank all seiner Erfahrung einnetzt. Des Vertrauens, weil das Einheit-Trainergespann Jan Richter sowie Heiko Schuster den Tschechen den letzten Abschluss gewähren, obwohl der 32-Jährige während der vorherigen 60 Minuten nicht seinen besten Tag erwischt hatte, trotz der sieben Treffer ungewöhnlich viele Fehlwürfe hatte. Es war sein wichtigstes Tor des Tages, das das Aufeinandertreffen entschied. Doch in Freudentaumel verfielen die Südwestsachsen danach nicht, kaum Euphorie, gebremste Jubelstimmung.
Zu schlecht waren 52 der vorausgegangenen 60 Minuten. Jedoch waren die Plauener, die mit krankheitsbedingten Ausfällen zu kämpfen hatten, nur mit einem Torhüter sowie neun einsatzfähigen Feldspielern angereist, die teilweise sogar das Abschlusstraining im Bett liegend verpassten und trotzdem angeschlagen fast durchspielen mussten. Dagegen hatten die Concorden nicht nur eine volle Bank mit 14 Aktiven, sondern konnten auch auf den Anschlusskader der Oberliga-Vertretung zurückgreifen und mit Mittelmann Daniel Sowada sowie Kreisläufer Maximilian Kalliske zwei Akteure aus der vierten Liga einsetzen, die auch jeweils zwei Mal trafen. So offenbarten sich bereits zu Beginn der Begegnung die Defizite der Füchse, die in der Offensive zu ungenau agierten, sich ungewöhnlich viele technische Fehler und Fehlwürfe leisteten sowie in der Abwehr nicht stabil genug standen, wodurch die Hausherren mit ihrem hohen Tempo immer wieder Lücken rissen, die sie effektiv zum Torerfolg nutzten. „Die Spieler waren am vierten Advent gedanklich schon in der Weihnachtspause und so kehrte der Schlendrian ein“, ärgert sich Richter: „Die Mannschaft hat nicht das abgerufen, wozu sie im Stande ist und dann wird es auch gegen eine unterklassige Auswahl, die perfekt eingestellt war, schwer zu gewinnen“. Vor allem mit dem hohen Druck der Delitzscher auf den Ballführenden kamen die Rot-Weißen lange nicht zurecht. „Wir agierten auch deshalb so behäbig, weil jeder Spieler im Kopf hatte, dass wir kaum Wechselmöglichkeiten haben und man so trotz fehlender Fitness fast die komplette Partie durchspielen muss“, erklärt der Übungsleiter: „Es wurde auch zu oft die Entscheidung gesucht, anstatt den Pass auf den freien Nebenmann zu spielen“. So sah sich der Einheit-Trainer bereits nach zehn Minuten beim Stande von 2:6 gezwungen, seine erste Auszeit zu nehmen und nach 22 Zeigerumdrehungen beim 6:12 musste Jan Richter schon zum zweiten Mal die grüne Karte auf den Tisch legen: „Damit konnten wir nicht nur den Lauf der Delitzscher unterbrechen, sondern auch die Jungs wachrütteln“. Bis zur Halbzeitpause verkürzten die Spitzenstädter auf 9:13, da vor allem Torhüter Dominik Balin, der beide Siebenmeter in der Begegnung sensationell parierte, seine Vordermänner in dieser entscheidenden Phase mit sehr guten Paraden im Spiel hielt.
Nach dem Seitenwechsel schafften es die Vogtländer zu zeigen, wieso sie der verlustpunktfreie Spitzenreiter der Sachsenliga sind und so führte ein 6:2-Lauf zum erstmaligen Ausgleich beim Stande von 15:15. „Wir kamen dank eines sehr gut aufgelegten Dominiks und einer starken Defensive zu vielen Ballgewinnen, die wir effektiv in Tore umgewandelt haben“, freut sich der Übungsleiter. Doch in der Folge versäumten es die Plauener, sich einen kleinen Vorsprung zu erspielen und haben so die Nordsachsen wieder ins Spiel gebracht. „Unser falsches Selbstverständnis war das Problem, dass wir als Favorit gedacht haben, dass wir besonders schön in Ballbesitz kommen wollten“, kritisiert Richter: „Wir wollten keine Fouls machen, sondern Delitzsch zu technischen Fehlern zwingen und deshalb haben wir sie weiter spielen lassen, anstatt den Spielfluss zu unterbrechen“. Auch wollten die Füchse Mitte der zweiten Halbzeit in der Verteidigung zu schnell den Ballgewinn, anstatt sich diesen hart zu erkämpfen und in der Offensive schwanden die Kräfte. „Die fehlenden zehn Prozent merkt man besonders im Rückzugsverhalten und das hat Delitzsch sehr gut ausgenutzt“, schätzt der Einheit-Trainer ein: „Jeder hat nur noch für sich gespielt“. So konnten sich in einer an Spannung kaum zu überbietenden und dank des Concordia-Fanclubs stimmungsvollen Schlussphase die Hausherren wieder mit zwei Toren absetzen (23:21) und die Rot-Weißen erst fünf Minuten vor dem Ende wieder ausgleichen (24:24). „Wir wollten auf jeden Fall nur eine Entscheidung haben, in der wir uns ganz sicher mit dem Torerfolg sind, aber zu der kam es während der 60 Minuten nicht mehr“, beschreibt Jan Richter die letzten Sekunden des Pokalkrimis: „Wir wären notfalls auch in die Verlängerung gegangen, doch Linos individuelle Klasse hat glücklicherweise noch mit der letzten Aktion über den Sieg entschieden“. (flow)
HC Einheit Plauen: Balin - Kveton (2), Model (2), Gemeinhardt, Krüger, Linhart (7/2), Kacin (4), Zbiral (3), Faith (5), Sira (4); Trainer Jan Richter, Co-Trainer Heiko Schuster, Mannschaftsverantwortlicher Bernd Grimm, Physio Christian Ulbricht
NHV Concordia Delitzsch II: Karl (6), Hollstein, Teresniak (1), Vincent Bauer, Sowada (2), Benet Bauer, Kalliske (2), Griehl (3), Beyer (3), Schirmer, Reinhardt (6), Joecks, Teichert (3), Pantel; Trainerin Christian Hornig, Mannschaftsverantwortlicher Steffen Kienitz, Co-Trainer Sven Griehl, Physio Paul Peschke
Verwarnungen: 3 für HC Einheit Plauen, 3 für NHV Concordia Delitzsch II
Zeitstrafen: 6 für HC Einheit Plauen, 3 für NHV Concordia Delitzsch II
Disqualifikation: 1 für NHV Concordia Delitzsch II (ohne Bericht)
Bild zur Meldung: Einheit gewinnt Pokalkrimi